Das Geheimnis der Kunstikone

Quelle: Pixabay

03.04.2023, von Maresa Schwele

 

In zehn Minuten dem Geheimnis auf der Spur

Das Automobil ist Statussymbol, Spielzeug, Sinnbild für Mobilität und Unabhängigkeit - und fahren kann man damit auch noch. Autos sind aus unserer Gesellschaft nicht wegzudenken, längst dienen sie nicht mehr nur als Fortbewegungsmittel, sondern sind zum echten Kulturgut aufgestiegen – das weiß und lebt besonders der Oldtimer- und Sportwagen-Liebhaber. Seit seiner Erfindung vor gut 136 Jahren hat das Auto mittlerweile einen festen Platz als Motiv in der Kunst gefunden.

 

Wie das Auto Kunst und Design inspirierte

Die Futuristen bewunderten es, die Pop Artisten demontierten es, die Fluxus-Bewegung setzte es in Brand: Das Auto. Von der Geschichte des Automobils in der Kunst erzählen mittlerweile weltweit renommierte Museums-Ausstellungen. Dabei taucht immer wieder eine Frage auf: Sind Autos Kunst? Ein kleiner Streifzug durch die Geschichte des Automobils in der bildenden Kunst soll diese Frage kurz und knackig klären.

Kunstvoller Träger von Blumen und Kunst. Quelle: Pixabay.

Blaupause. Quelle: Pixabay.


Einteilung: das Auto als Gegenstand in der Kunst und als Kunstträger

Ich nehme zwei Aspekte in meiner Betrachtung heraus: einerseits das Erscheinen des Automobils auf Kunstwerken, Installationen und Skulpturen und andererseits das Auto selbst als Kunstwerk, wie es bei den brillanten BMW Art Cars aus der Mitte der 70er Jahre passiert ist. Im Hinterkopf sollte man behalten, dass die Grenzen zwischen Design und Kunst in den letzten 50 Jahren völlig verschwommen ist.

Das Auto an sich ist zweifellos ein Design- und Kultobjekt. Man sagt, dass schöne Autos Kunstwerke sind. Vielleicht nickt hier der ein oder andere zustimmend. Gleichzeitig wird das Adjektiv "künstlerisch" inflationär verwendet, um kreative Disziplinen zu beschreiben, so auch beim Automobildesign. Aber einige der besten Autodesigns der Automobilgeschichte haben durchaus einen künstlerischen Wert. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 Leonardo da Vincis Zeichnung eines selbstfahrenden Wagens aus dem Jahr 1478 (Ausschnitt).

 Der Autofahrer, 1896 von Henri de Toulouse Lautrec.


Eine kleine Zeitreise.... Wie alles begann...

Zunächst betrachten wir das Auto im Kontext der Kunst. Das Auto wird zum Objekt moderner oder zeitgenössischer Kunst.

 

Autos tauchen erstmals Ende des 19. Jahrhunderts in Kunstwerken auf, da es sie vorher nicht gab. Es sei denn, man sieht es großzügig und rechnet Leonardo da Vincis Zeichnung eines selbst fahrenden Wagens aus dem Jahr 1478 als Vorreiter der Automobile dazu.

 

Seit etwa einem Jahrhundert sind Autos regelmäßig Gegenstand moderner und zeitgenössischer Kunstwerke. Spätestens seit 1909, als der italienische Schriftsteller und Begründer des Futurismus, Filippo T. Marinetti, ein Loblied auf das Auto sang, haben sich Künstler auf unterschiedliche Arten und Blickwinkel mit dem Automobil auseinandergesetzt. 1951 präsentierte das MoMA in New York die erste Autoausstellung in einem Museum für moderne Kunst.

 Die Damen Goldsmith 1897 in Bois de Boulogne in ihrem Peugeot-Automobil, 1901 von Julius LeBlanc.

 Ramon Casas und Pere Romeu in einem Automobil, 1901 von Ramon Casas i Carbó.


Wann erschien zum ersten Mal ein Auto in einem offiziellen Kunstwerk?

Es gibt zwei Gemälde aus dem Jahr 1904, die ein Auto zeigen: "Buggy und Rennwagen" von Umberto Boccioni und "Auto am Penice-Pass" von Giuseppe Pellizza da Volpedo. Doch ein noch früheres Bild aus den Jahren 1896 bis 1898 ist von Henri de Toulouse-Lautrec: "Der Autofahrer", das nicht das Auto, sondern einen mit einem Pelzmantel bekleideten Fahrer zeigt.

 

Als das Auto in der Gesellschaft sichtbarer wurde, tauchte es auch häufiger in der Kunst auf. Da das Auto in Europa erfunden wurde und in diesem Zusammenhang ein Spielzeug der Reichen war, findet es Einzug in die europäische Salonmalerei. Zwei hervorragende Beispiele aus dem Jahr 1901 stammen von den Künstlern Julius LeBlanc und Stewart Ramon Casas. Beide Gemälde zeigen das Auto jedoch nur als Requisit. Der Aspekt der Geschwindigkeit und Bewegung fehlt hier noch.

 

Darin liegt die Schönheit der Futuristen: Russolo und Balla zeigten wirklich die wahre, einzigartige Facette des Autos in der Kunst. Ihre Gemälde aus der Zeit um 1911 gelten daher als die wahren Pioniere des Automobils in der Kunst.

 Dynamik eines Autos, 1913 von Luigi Russolo.

 Fat Cars Retro Classics 2020 IMG 0301 von Erwin Wurm, Foto Alexander Migl.


Das Kunstobjekt im Wandel der Zeit

Seit den ersten drei Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, als frühe Gemälde futuristischer Künstler wie Boccioni, Balla und Russolo entstanden, wuchs die Zahl der Kunstwerke mit Bezug zum Auto rapide an. Daran beteiligt waren Künstler wie César, der 1959 einen Renault Dauphine zusammenpresste, Andy Warhol mit seinen Car-Crash-Gemälden von 1963 oder der Italo-Amerikaner Salvatore Scarpitta, der seit Mitte der sechziger Jahre an Rennwagen arbeitete.

 

Im Jahr 2001 begann Erwin Wurm mit seiner unheimlich fettleibigen Fat-Cars-Serie, während der niederländische Künstler Joost Conijn das Hout Auto schuf, ein Sperrholzauto auf der Basis eines Citroën DS, in das er eine holzbefeuerte Dampfmaschine einbaute, mit der er durch fünfzehn europäische Länder fuhr und unterwegs Holz sammelte, um das Auto zu betreiben. Diese Liste lässt sich bis heute fortsetzen. Das Auto wandelt sich mit der Gesellschaft, und somit ist auch die Darstellung in der Kunst einem stetigen Wandel unterzogen.

Autoskulptur. Quelle: Pixabay.

Das von Jeff Koons gestaltete BMW M3 Art Car beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans 2010.


Das Automobil wird vom Objekt der Kunst zum Träger von Kunst

Im Jahr 1975 schlug die Geburtsstunde des eigentlichen Kunstautos: der Rennfahrer, Sammler und Auktionator Hervé Poulain bat den großen modernen Bildhauer Alexander Calder, ein von Hand aufgetragenes Design für einen BMW 3.0 CSL-Rennwagen zu gestalten. Daraus erwuchs die Tradition der BMW Art Cars und eine Sammlung, die heute mit 17 Exemplaren von so unterschiedlichen Künstlern wie David Hockney, Roy Lichtenstein, Andy Warhol sowie Robert Rauschenberg aufwartet.

 

Bei unserem Besuch auf der Stuttgarter Messe "Retro Classic" war unser Stand neben dem eines jungen Münchener Künstlers, Pascal Göbel. Sein Markenzeichen ist die Liebe zum Detail: sehr realistisch bringt er u. a. mit Acrylfarben Liebhaberfahrzeuge mit ihren Charakteristika auf die Leinwand. Der Ansturm und die Begeisterung, die er mit dem Porträtieren von Sportwagen und Oldtimern auslöst, verdeutlicht, wie sehr die Kunst rund um das Traumauto Einzug in die heimischen vier Wände gefunden hat.

 Der Künstler Pascal Göbel auf einer Ausstellung, 2023.

Pascal Göbel bei der Arbeit, 2023.


 

Kunst und Reisefieber

Der internationale Unternehmer und Philanthrop Miles S. Nadal hat die herausragende Bedeutung des Autos für die Moderne erkannt: „Die Entwicklung von Kunst, Design und Werbung des Automobils ist eine der faszinierendsten und kultigsten Entwicklungen in der modernen Geschichte.“

 

Und das Schönste daran: in das Kunstobjekt Auto kann man einsteigen, losfahren, Gas geben und gemeinsam auf Reisen gehen. Kunst spielt auf unseren Reisen eine besondere Rolle. So besuchen wir während der Provence-Reise beispielsweise SCAD Lacoste, ein kreatives Zentrum des Savannah College of Art und Design in dem mittelalterlichen Dorf Lacoste.