Das Geheimnis eines richtig guten OlivenÖls

20.02.2023, von Maresa Schwele

 

In zehn Minuten dem Geheimnis auf der Spur

Wenn ich meine Fahrt durch die Toskana Revue passieren lasse, sehe ich vor allem Zypressen, Weinberge und die malerischen Olivenbäume. Letztere waren auch im Dezember noch wunderschön silbern-grün schimmernd, mit einer ästhetischen Eleganz.

Auf Reisen sammele ich nicht nur viele Eindrücke, sondern auch eine Kleinigkeit, um die Erinnerungen an die Reise festzuhalten. Mein Ziel ist es, zu jedem Produkt, das am Ende als „Mitbringsel“ in meinem Koffer landet, eine kleine Geschichte erzählen zu können. Zuhause bei Familie und Freunden bereitet das Teilen von Wissen und Köstlichkeiten umso mehr Freude.

Heute geht es um das Geheimnis von richtig gutem Olivenöl. Gerne möchte ich Euch daran teilhaben lassen. In zehn Minuten zum Olivenöl-Connaisseur, geht das? Findet es heraus...

 

Warum schmeckt das Olivenöl, das wir in Italien zum schlichten Brot gereicht bekommen, sensationell und das Olivenöl aus dem Supermarkt nur… mittelmäßig? Was unterscheidet richtig gutes Öl von durchschnittlichem? Was ist Extra Vergine? Woran erkennt man, ob das Olivenöl qualitativ hochwertig ist? All diese Fragen werden wir kurz und knackig klären.

Eine kleine Zeitreise:

Die Herstellung von Olivenöl ist eine Tradition, die oft über Generationen weitergegeben wird. Tatsächlich gibt es seit mindestens achttausend Jahren Olivenöl und die Römer haben den Olivenanbau besonders gefördert. Winzige Früchte, bitter, schwierig zu ernten und doch so wertvoll. In der Antike wurde das kostbare Öl als Allheilmittel gegen Krankheiten eingesetzt.

 

Typische Eigenschaften:

Ein echtes, natürliches, unraffiniertes natives Olivenöl extra hat einen intensiven Geruch, der beinahe an frisch geschnittenes Gras erinnert. Bei der Verkostung schmeckt man das ausgeprägte Fruchtaroma im Gaumen, es ist kräftig und die leichte Schärfe bitzelt im Abgang. Im Fall von absoluter Premiumqualität hat das Öl eine überraschend hellgrüne Farbe, die zunächst undurchsichtig ist und sich später in einen tieferen, klaren Grünton verwandelt.

 

Selbsttest und Geheimtipp zur Ölverkostung:

Überprüfen wir doch gleich das Olivenöl in der eigenen Küche auf diese Eigenschaften. Duft und Aroma benötigen Wärme, um sich richtig entfalten zu können. Das geht ganz einfach: einen Esslöffel für ungefähr eine Minute in den Mund nehmen, um ihn zu temperieren. Anschließend wird das Öl darauf gegossen und so automatisch erwärmt. Falls das Öl die aufgezählten Anforderungen nicht erfüllt, bitte nicht enttäuscht sein! Gleich gibt es einen Leitfaden, ganz einfach das richtige Öl zu finden.

Was ist das Problem für den Verbraucher?

Zwar wird Olivenöl als „Natives Olivenöl Extra" gekennzeichnet, die einzigen relevanten Kriterien sind ein Anteil an freien Fettsäuren von weniger als 0,8 % und „keine sensorischen Mängel", was sehr vage Anforderungen sind. Bei einer kostengünstigen Produktion verwenden die Hersteller als Ausgangsbasis natives Olivenöl extra und zusätzlich minderwertige Öle wie „Nativ" und „Lampante". Da diese als nicht zum Verzehr geeignet gelten, werden sie einem mehrstufigen Raffinationsprozess unterzogen. Leider werden dadurch dem Öl auch drei wichtige Eigenschaften entzogen, die wir oben getestet haben: Geschmack, Geruch und einen Großteil der Farbe. Das Endergebnis ist eine Flasche Öl, die sich in Geruch und Aussehen nicht von anderen Pflanzenölen abhebt, aber das Prädikat „Natives Olivenöl Extra“ erhält.

 

Das ist ein wenig deprimierend, denn es wird dem bereits in der griechischen Mythologie verherrlichten und in der Antike fast religiös angebeteten Olivenöl mitnichten gerecht und nimmt dem Verbraucher den Genuss von Olivenöl.

Leitfaden zum Kauf:

Ein einfacher Trick, um schnell und unkompliziert gute Öle zu erkennen: halten Sie in den gut sortierten Supermärkten und Feinkostgeschäften Ausschau nach Produkten mit DOP- oder IGP-Siegel. Dies ist vergleichbar mit dem DOCG-Siegel für Weine. Es garantiert, dass es sich um ein echtes Herkunftsgebiet handelt und dass der Herstellungsprozess des Öls den örtlichen Normen entspricht.

 

Transparenz bei hochwertiger Herstellung

Es gilt der Grundsatz: je präziser die Herkunft zurückverfolgt werden kann, desto eher hat man es mit hochwertigen Ölen zu tun. Ideal ist es, wenn man die Reise des Öls bis auf den Olivenhain zurückverfolgen kann - am besten persönlich.

 

Wie läuft die Produktion ab?

Im Oktober kann man mit der Ernte beginnen, wobei der Zeitpunkt davon abhängt, welche Art von Öl man haben möchte. Die frisch geernteten Oliven dürfen nicht länger als 48 Stunden an einem kühlen und dunklen Ort lagern, bevor man sie zur Ölmühle bringt. Der gesamte Mahlvorgang dauert weniger als eine Stunde. Die Ölproduktionsrate liegt bei etwa 10-20 %, je nach Bedingungen. Das heißt, wenn man 100 kg Oliven pflückt, liegt die Ölgewinnung bei 10-20 kg bzw.  Liter.

 

Wie viel muss ich für erstklassiges Öl ausgeben?

Ich gehe nicht in die Details des Herstellungsprozess, er ist jedoch mit einem erheblichen manuellen Zeitaufwand verbunden. Damit ist offensichtlich: ein qualitativ hochwertiges Öl hat seinen Preis. Pro Liter kann man mit etwa 20 € rechnen. Nach oben sind keine Grenzen gesetzt.

Klassifizierung: „Öl für die Götter". 

Noch heute nimmt man bei der Klassifizierung von Olivenöl Bezug auf die fünf Qualitätsstufen im alten Rom. Die Sortierung folgt nach Reife der geernteten Früchte. Der Goldstandard für fantastisches Öl ist das „Oleum ex albis ulivis“: das allerbeste Öl aus grünen Oliven galt als „Öl für die Götter". Grüne Oliven, die gerade ihre Reife erreicht haben, liefern das hochwertigste Öl mit dem geringsten Anteil an freien Fettsäuren. Es ist so kostbar, da die gerade gereiften Früchte eine geringere Gesamtmenge an Öl liefern. Dieses Öl erfüllt die oben genannten Anforderungen: es riecht sehr fruchtig oder grasig, hat eine deutlich intensive grüne Farbe und ist pikanter als die späteren Ernten.

 

Bei jedem weiteren Reifegrad verliert das Olivenöl progressiv die wertvollen Inhaltsstoffe. Das liegt daran, dass der Gehalt an freien Fettsäuren, der Hauptindikator für die Olivenqualität, mit zunehmender Reife der Frucht am Baum langsam ansteigt.

Das zweite ist „Oleum Viride". Es wird aus halbreifen Olivenfrüchten gewonnen, die meist grün mit einigen violetten Flecken sind. Es hat ein hohes Qualitätsniveau, weniger Bitterstoffe und einen etwas milderen Gesamtgeschmack. Er hat eine tiefere grüne Farbe. Bei den Römern galt es als das „Öl für Priester und Ärzte".

Die dritte Sorte ist das „Oleum Maturum". Es stammt von reifen, schwarz gefärbten Oliven. Da sie mehr Zeit zur Reifung hatten, produzieren sie eine größere Menge Öl,  allerdings auf Kosten von Aroma und Geschmack. Das Öl hat eine goldene Farbe und ist samtig weich am Gaumen.

 

Ein kleiner Funfact:

Die alten Römer kannten noch zwei weitere Bezeichnungen für Olivenöl, die Sie wahrscheinlich nie sehen werden: „Oleum caducum“ aus Oliven, die bereits herunter gefallen sind und „Oleum cibarium“ aus verdorbenen Oliven, das sog. „Öl für Sklaven“.

Haltbarkeit und Lagerung

Beim Kauf ist es wichtig und ratsam genau hinzusehen: auf dem Etikett ist die Erntezeit verzeichnet. Diese Info ist wichtig, denn sehr hochklassige Olivenöle sind bis zu drei Jahre haltbar. Die sachgerechte Lagerung ist dunkel und kühl. Einmal geöffnet, sollte das Öl in circa zwei Monaten verbraucht werden.

 

Eine Geschmacksreise

Gerne würde ich eine Karte mit den Regionen von erstklassigen Ölen hier teilen. Aber das ist eine Geschmackssache! Es gibt individuelle Vorlieben für bestimmte Olivensorten, die in den entsprechenden Anbauregionen zu finden sind. Nach objektiven Kriterien findet man erstklassiges Olivenöl in vielen Ländern wie Griechenland, Spanien, Kroatien, Portugal und natürlich: Italien. Wie am Anfang angedeutet, spielt das  Thema bei unseren Reisen in die Toskana, an den Gardasee, aber auch an die Riviera und auf Sardinien eine Rolle: mindestens einen Stopp haben wir hier der Olivenölproduktion und -verkostung gewidmet.

 

Mein Tipp:

Idealerweise kauft man das Olivenöl bei lokalen Kleinproduzenten direkt vor Ort. Bei der Verkostung unbedingt auf Geruch und Geschmack achten, dann kann man das Geheimnis von richtig gutem Olivenöl mit allen Sinnen erleben. Und die Faszination des gesamten Mittelmeerraums für das flüssige Gold nachvollziehen – versprochen!

Quellen